LANGFASSUNG

Noch vor 20 bis 30 Jahren war es an der Tagesordnung, Krebskranke nicht, verschleiert oder zumindest unvollständig über ihr Leiden zu informieren. Informationszensur bis hin zur gezielten Desinformation (z.B. in Form gefälschter Histologieberichte) wurden insbesondere von operativ tätigen Ärzten als erstrebenswerte, den Patienten und seine Betreuungspersonen „schützende" Kommunikationsmethoden praktiziert und propagiert.

Dieses Bild hat sich tiefgreifend verändert, zumal man auch herausfand, dass die Patienten sehr schnell allein durch das Verhalten der Umgebung die Wahrheit erfassten und durch die Geheimniskrämerei isoliert wurden. Eine grosse Mehrheit, insbesondere jüngerer Ärzte und Pflegepersonen erachtet es heute für selbstverständlich, dass auch Krebskranke grundsätzlich und in angepasster Weise über ihre Krankeit sowie deren Folgen und Behandlungsmöglichkeiten informiert werden. Im Vordergrund steht dabei längst nicht mehr das „ob“, sondern das „wie“ und das „wann“, vielleicht auch noch die Frage „durch wen“ und „wie oft“. Anders wäre auch die Durchführung differenzierter onkologischer Therapiepläne gar nicht mehr denkbar. Natürlich gibt es auch immer wieder Mediziner, die die Wahrheitskeule mit fehlender Sensibilität auf die Betroffenen niedersausen lassen.


In der onkologischen Medizin ist es in den letzten Jahren gelungen, die Psychoonkologie als eine Teilspezialität zu entwickeln. Die Behandlungserfolge in bezug auf Überleben und Lebensverlän-
gerung erlauben eine optimistischere Blickweise, Krebs wird nicht mehr nur als eine zum Tode führende stigmatisierende Krankheit gesehen, sondern als eine chronische Erkrankung, die über lange Perioden immer wieder behandlungsbedürftig ist.

Die Verbesserung von Überlebenszeiten hat bewirkt, dass man sowohl die unmittelbaren psychischen und sozialen Folgen der Bahandlung als auch die längerfristigen psychischen und sozialen Konsequenzen des Überlebens genauer kennen muß, um sie in der Behandlung und in der Verar
beitung der Krebserkrankung und des Überlebens zu berücksichtigen. Trotz aller Behandlungserfolge stehen alle Beteiligten stets vor schwierigen Entscheidungen, bei denen Hoffnung, Fortschrittsglauben, die Erfahrung von ungünstigen unklaren Prognosen und von physischen und emotionalen Belastungen eine solche Verbindung eingehen, dass sie nicht mehr nur mit rationalen Mitteln angegangen werden können, sondern psychologischer Reflektion, Interpretation und Einschätzung bedürfen.


Schließlich haben die verschiedenen Therapieprogramme in ihren unterschiedlichen Kombinationen auch Nebenwirkungen und Folgen im psychischen und sozialen Bereich, die in hohem Maße mit Identitätsbedrohung und -veränderung einhergehen, die stützender psychosozialer Maßnahmen bedürfen. Auch das Problem der Aufklärung und Diagnosevermittlung sowie Vermittlung des Umgangs mit der Therapie und ihren Folgen stellen das ärztliche und pflegerische Personal häufig vor schwierige Probleme, die psychosoziale Vermittlungsprozesse notwendig werden lassen. Heute hat sich daher Psychoonkologie in allen Krankenhäusern etabliert, die zertifizierte Zentren haben, wie Brustzentren, Darmzentren, onkologische Zentren und weitere.